Augenblick

2016 – M. Augustin

Sie geht gebeugt und schwer,
doch sie kennt ihr Ziel.
Die Schritte fordern mehr,
als sie zugeben will.

Ihr dünnes weißes Haar
bewegt sich leicht in der Luft.
Ihr Blick ist warm und klar,
als ob sie jemand ruft.

Dort unter’m alten Baum
auf dem Hügel bleibt sie steh’n.
Sie schaut sich prüfend um,
doch ich kann sie seh’n.

Zu ihren Füssen, weit vor’m Tal,
ragt ein altes Kreuz heraus.
Sie schließt die Augen, lacht einmal –
und breitet ihre Arme aus.

Da war er wieder, dieser eine Augenblick,
den man niemals vergisst, und er kommt niemals zurück.
Ich hab‘ ihn nicht gefangen, nur kurz gespürt,
hab‘ ihn kurz besessen und tief inhaliert.
Es gab nichts zu erklär’n, es gab nichts zu versteh’n.
Es war ein Stückchen Leben, das wollt‘ für diesen Moment –
mit mir geh’n.

Ganz vorsichtig aus deinem Loch
hast du mich angeschaut.
Ein erster Schritt, doch noch
hast du dich nicht getraut.

Erst bleib ich steh’n, dann setz‘ ich mich
ganz einfach vor dich hin.
Du neigst den Kopf, als fragst du dich,
welch Komiker ich bin.

Ein langer kritischer Blick,
und ich teil‘ mein Brot mit dir.
Erst ziehst du dich nochmal zurück,
doch dann folgst du mir.

Heute hast du einen Namen
und lässt mich dein Dosenöffner sein.
Rollst dich auf meinem Schoß zusammen
und schläfst leise schnurrend ein.

Da war er wieder, dieser eine Augenblick,
den man niemals vergisst, und er kommt niemals zurück.
Ich hab‘ ihn nicht gefangen, nur kurz gespürt,
hab‘ ihn kurz besessen und tief inhaliert.
Es gab nichts zu erklär’n, es gab nichts zu versteh’n.
Es war ein Stückchen Leben, das wollt‘ für diesen Moment –
mit mir geh’n.